1. Fakten zur Rentierzucht in Finnland
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Über 200'000 registrierte Rentiere in Finnland
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Rund 4'000 Rentierhalter, organisiert in 54 Genossenschaften (paliskunta)
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In Südlappland (z. B. Ranua, Posio, Rovaniemi) leben viele Halter ohne Sámi-Hintergrund
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Jeder Halter besitzt eine individuelle Rentiermarke (Ohrschnitt), die weitervererbt wird
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Rentiere sind halbdomestiziert: frei lebend, aber im Besitz
2. Jahresablauf in der Rentierhaltung
Jahreszeit | Aktivitäten |
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Frühling | Geburt der Kälber (Mai), Schutz vor Kälte und Raubtieren |
Sommer | Kälber markieren, Tiere grasen frei, starker Insektenbefall |
Herbst | Brunftzeit, Selektion, Zählung, Schlachtung |
Winter | Zufütterung (Heu, Flechten, Spezialfutter), Transportkontrollen |

3. Haltung und Fütterung
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Kein Stall, sondern Weidegebiete in Wald, Moor und Tundra
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Tiere suchen selbstständig Nahrung – meist Flechten, Gräser, Moose
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Winterfütterung oft notwendig: Heu, getrocknete Flechten, Pellets
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Rentierhalter verwenden Traktoren, Motorschlitten oder GPS-Tracker zur Kontrolle
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Verletzungsgefahr durch Zäune, Verkehr, Raubtiere
4. Bedeutung für Familien und Gesellschaft
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Rentierzucht ist in vielen Familien seit Generationen verankert
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Alle helfen mit: Markieren, Sortieren, Verarbeiten
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Rentiermarken werden vererbt, wie Familienwappen
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Stolz, Identität und soziales Ansehen sind mit dem Beruf verbunden
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Lebensrhythmus folgt dem Rentierjahr – auch für Kinder, Ferien und Feste
5. Wirtschaft und Tourismus
Einnahmequellen:
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Verkauf von Fleisch (Rentier ist Delikatesse in Finnland)
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Touristische Angebote (Rentiersafaris, Farmbesuche)
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Verkauf von Geweihen, Fellen, Handwerksprodukten
Wichtige Hinweise für Touristen:
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Rentiere nicht füttern oder stören
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Achtung auf Strassen – Rentiere haben Vorrang
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Besuche nur bei zertifizierten Farmen mit Tierschutzstandards
6. Krankheiten und Gefahren
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Parasiten (z. B. Magenwürmer, Zecken)
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Verletzungen in Brunft oder durch Strassenzäune
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Verlust durch Raubtiere: Vielfrass, Wolf, Bär
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Verkehrsunfälle: Hunderte Rentiere jährlich überfahren
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Klimabedingte Notlagen (Eis statt Schnee → keine Nahrung erreichbar)
7. Konflikte mit Ferienhausbesitzern
Typische Probleme:
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Hunde jagen Kälber
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Zäune blockieren Wanderwege
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Touristen füttern oder schrecken Tiere auf
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Lärm und Licht während der sensiblen Zeiten (Brunft, Kälberzeit)
Lösungen:
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Austausch mit lokalen Züchtern
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Respekt vor Weidegebieten
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Kooperationen möglich: z. B. Safaris ab Ferienhaus, Verkauf von Fleisch direkt vom Züchter
8. Symbolkraft der Rentiere
Rentiere stehen in Lappland für:
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Verbindung zwischen Mensch und Natur
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Überlebenskunst im Norden
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kulturelle Identität
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Respekt gegenüber dem Jahreskreis
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Ein Leben im Takt der Natur
Zitat eines Züchters aus Ranua:
„Ein gutes Rentierjahr zeigt sich nicht auf dem Konto, sondern im Zustand der Tiere.“
9. Herausforderungen und Zukunft
Probleme:
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Klimawandel → gefährliche Eisschichten, weniger Flechten
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Verlust von Weideflächen durch Industrie und Tourismus
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Zunehmender Verkehr → mehr Tote
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Geringe Fleischpreise, steigende Kosten
Hoffnung:
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Digitale Werkzeuge (GPS, Drohnen)
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Kooperativer Tourismus
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Qualitätslabel (Bio, Rückverfolgbarkeit)
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Förderung durch Kultur- und Naturschutzprojekte
10. Fazit für Gäste in Südlappland
Wer in Lappland ein Haus besitzt oder Ferien macht, sollte sich bewusst sein:
Rentiere sind kein Fotomotiv – sie sind Mitbewohner, Wirtschaftspartner und Kulturgut. Wer sie mit Respekt behandelt, erlebt mehr als nur eine Safari: Er bekommt Einblick in eine
Lebensweise, die älter ist als jedes Tourismuskonzept.
Übringes gilt es als äusserst unhöflich einen Rentierhalter nach der Anzahl seiner Rentiere zu fragen.

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