
Das Geweih eines Rentiers gehört zu den am schnellsten wachsenden Knochenorganen der Welt. Innerhalb weniger Monate entsteht eine bis zu 1,3 Meter breite Struktur. Jedes Jahr durchlaufen die Tiere einen klaren Rhythmus von Wachstum, Nutzung und Abwurf.
Jahreszeit | Männchen | Weibchen | Besonderheiten |
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Frühling (April–Mai) | Neues Geweih beginnt sofort nach dem Abwurf zu wachsen | Ebenfalls Beginn des Wachstums | Beide Geschlechter im Bast, Geweih weich und stark durchblutet |
Sommer (Juni–August) | Starkes Wachstum, bis zu 1 cm pro Tag | Gleiches Wachstum, aber kleiner | Geweih dient auch zur Wärmeabgabe über Blutgefässe |
Herbst (September–Oktober) | Bast trocknet, Geweih härtet aus, wichtig für Rivalenkämpfe | Bast trocknet, aber kleineres Geweih | Brunftzeit: Männchen kämpfen um Weibchen |
Winter (November–Dezember) | Abwurf des Geweihs kurz nach der Brunft | Weibchen behalten ihr Geweih | Vorteil im Winter: Weibchen sichern Futterplätze im Schnee |
Spätwinter–Frühjahr (Januar–April) | Geweihlos | Weibchen werfen ihr Geweih ab, meist erst nach Geburt der Kälber | Unterschiede im Abwurfzeitpunkt sind einzigartig unter Hirschen |
Unterschiede zu Hirschen und Elchen
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Bei Hirschen und Elchen tragen nur Männchen ein Geweih.
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Bei Rentieren haben beide Geschlechter Geweihe – eine Besonderheit im Hirschreich.
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Abwurfzeitpunkte unterscheiden sich: Männchen im frühen Winter, Weibchen im Frühjahr.
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Auch junge Tiere bilden schon im ersten Jahr kleine Geweihe.
Energieaufwand
Das jährliche Wachstum erfordert enorme Mengen an Eiweiss und Mineralstoffen. Studien zeigen, dass der Aufwand vergleichbar ist mit der Energie, die ein Reh in die Entwicklung eines Kalbes steckt. Das Geweih ist daher ein Zeichen für Gesundheit und gute Ernährung, weniger für das konkrete Alter.
Bedeutung und Funktion
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Männchen: Imponierwaffe und Kampfmittel während der Brunft.
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Weibchen: Durchsetzung bei Futterplätzen im tiefen Schnee.
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Allgemein: Schutz gegen Feinde, Signal für Stärke.
Kulturelle und historische Bedeutung
Seit Jahrtausenden nutzen Menschen Rentiergeweihe:
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Frühere Kulturen: Werkzeuge, Waffen, Nadeln, Schmuckstücke.
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Kunst: Gravuren und Skulpturen aus der Altsteinzeit.
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Mythologie: Symbol für Kraft, Wachstum, Erneuerung.
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Schamanismus: Bestandteil von Ritualen, Trommeln und Zeremonien in Nordeurasien.
Nutzung heute
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Handwerk: Knöpfe, Messergriffe, Kunstgegenstände.
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Medizin/Nahrung: Extrakte aus Bastgeweihen („Velvet Antler“) in Asien und auch im Sportbereich.
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Sámi-Kultur: Rentiergeweihe als Rohstoff für traditionelle Handwerkskunst und Souvenirs.
Fazit
Das Geweih des Rentiers ist einzigartig: Es wächst extrem schnell, unterscheidet sich bei Männchen und Weibchen im Zyklus und ist ein Spiegel für Gesundheit, nicht für das exakte Alter. Seine Bedeutung reicht weit über die Biologie hinaus – von urzeitlichen Werkzeugen bis zu kulturellen Symbolen und moderner Nutzung.
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