Herbst in Lappland – wenn die Natur das Tempo wechselt
Es beginnt leise.
Ein kühler Windhauch weht über das Wasser, der Nebel bleibt länger auf der Oberfläche liegen, die ersten Blätter färben sich gelb. Und plötzlich ist er da – der lappländische Herbst.
Er kommt nicht mit Lärm, sondern mit Licht.
Ruska, nennen ihn die Finnen – das grosse, kurze Leuchten vor dem Winter.
Ein Farbenrausch aus Birken, Beeren und Mooren
In Ranua, rund um den Simojärvi und Koirajärvi, beginnt im September ein Spektakel, das stiller nicht sein könnte. Die Mischwälder färben sich in feurigen Tönen: goldene Birken, rostrote Heidelbeerblätter, fast violett schimmernde Moose. Auf dem Boden leuchten Preiselbeeren und Pilze, die Luft riecht nach feuchter Erde und nassem Holz.
Überall liegen Seen – Finnland zählt über 188'000 davon – viele wie Spiegelflächen eingebettet zwischen Wald und Himmel. Das Wasser ist dunkel, fast schwarz, aber klar und ruhig. Kein Motorengeräusch, kein Trubel. Nur Wind, Licht, Zeit.
Still unterwegs – zu Fuss, im Kanu oder auf Kufen
Tagsüber führen weiche Pfade durch den Wald. Wer mag, wandert allein – vorbei an moosbedeckten Steinen, durch duftendes Unterholz, entlang offener Moorflächen. Oder nimmt das Kanu und gleitet über den stillen See, vorbei an nebelverhangenen Ufern, wo sich die Farben der Bäume im Wasser spiegeln.
Gegen Monatsende gefriert das Wasser mancher Buchten bereits. Ohne Schnee – aber mit tragfähigem Eis. Wer Schlittschuhe mitbringt, kann lautlos über den See gleiten – mitten durch das Lichtspiel des Himmels.
Und in klaren Nächten beginnt das nächste Schauspiel: Aurora Borealis – sichtbar ab Ende August. Manchmal als leiser Schleier, manchmal als leuchtender Tanz in Grün und Weiss. Wer draussen bleibt, sieht mehr – das gilt hier immer.
Der Rückzug der Natur – und das Geschenk der Ruhe
Die Tiere werden scheuer, die Wälder stiller. Doch noch sind Rentiere unterwegs, ruhig ziehend über Wege und Wiesen. Pilze schiessen zwischen Baumwurzeln hervor, der Wind trägt den Geruch von Laub, Moos und Wasser. Man sieht jetzt, was sonst verborgen bleibt.
Es ist kein greller Abschied – sondern ein würdevoller Rückzug. Kein Lärm, keine Dramatik. Nur Natur, die sich wandelt – im eigenen Rhythmus.
Wer den Herbst hier erlebt, trägt ihn lange in sich
Lappland im September ist keine Durchgangszeit. Es ist ein eigener Zustand.
Ein Ort zum Atmen. Zum Beobachten. Zum Innehalten.
Keine Menschenmassen, kein künstliches Licht, kein Lärm – nur du und eine Landschaft, die sich verlangsamt, bevor der Winter sie
zudeckt.
Und wer einmal an einem windstillen Abend auf den Steg tritt, den Atem sieht, das Eis unter den Füssen knacken hört und über sich die Sterne leuchten sieht – der versteht, was dieser Ort sagen will.
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